Die liebe Liebe – kaum ein Begriff bietet so viel Interpretationsmöglichkeiten und wird nach persönlichen Überzeugungen ausgelegt wie sie. Sie gibt es in Familien, in Freundschaften, zum Beruf etc. sie kann überall vorgefunden werden und wird stets gleich betitel. Und hier schließt das Thema bedingungslose Liebe nahtlos an. Doch dabei ist es nicht klar definiert und jeder Mensch hat seine eigenen Verknüpfungen und Ideen davon. „Wenn ich liebe, liebe ich bedingungslos. Ich möchte in einer Beziehung bedingungslose Liebe geben und leben.“ Diese Aussage, ja dieser Wunsch durfte in einer meiner letzten Behandlungen genauer betrachtet werden. Was bedeutet bedingungslose Liebe überhaupt? Ist sie zwischen Menschen möglich? Was verbirgt sich hinter dem Wunsch eine Partnerschaft in bedingungsloser Liebe zu leben? Ich lasse Dich gern an einigen unserer Erkenntnissen teilhaben. Nimm für Dich mit, was sich stimmig anfühlt.
Was bedeutet bedingungslose Liebe?
Bedingungslose Liebe ist die höchste und reinste Form der Liebe. Sie ist frei von Bewertung und frei von Erwartung, stattdessen gefüllt mit Fürsorge und Wohlwollen. Die bedingungslose Liebe ist sicher, beständig – ja, sie ist endlos. Sie straft nicht, sondern ehrt und liebt. Die bedingungslose Liebe ist göttlich und scheint nicht von dieser Welt zu sein. Von dieser Liebe träumen viele Menschen gerade in einer Partnerschaft.
Wann lieben wir bedingungslos?
Wir erfahren den Zustand der bedingungslosen Liebe am ehesten, wenn wir ein Baby im Arm halten. Hier öffnet sich das Herz, die Augen strahlen und ein Licht beginnt zu scheinen. Eine fürsorgliche Herzverbindung besteht so rein und pur. Die Bedürfnisse des Babys werden gestillt, ohne dass es dafür etwas erwidern muss. Zu diesen Bedürfnissen gehören Sicherheit, Zuwendung, Nahrung, Verständnis etc. Das Baby wird zum Kind und wächst heran. So sehr Eltern ihre Kinder lieben, deren bestes wollen, vermischen sich die einst reinen Gefühle mit Erwartungen und Vorstellungen. Das ist nur allzu menschlich, denn jeder lebt in seiner eigenen Welt, die voller Überzeugungen, Wertvorstellungen und Regeln ist. Und die einst bedingungslose Liebe weicht Bedingungen. Die bedingte Liebe hält Einzug und mit ihre z. B. die Angst vor Ablehnung oder das Gefühl des Ungenügend-Seins. Das Kind erfährt, es erhält vermehrt Aufmerksamkeit, Fürsorge oder körperliche Nähe, wenn es den Erwachsenen gefällt. Es beginnt Deals zu leben. Die Liebe als Tauschgeschäft wird auf andere Beziehungen übertragen und in Partnerschaften manchmal auf die Spitze getrieben.
Wie sehr sehnt sich also ein Mensch danach, bedingungslose Liebe zu erfahren?
Unfassbar groß scheint zuweilen die Sehnsucht einfach für das, was man ist, geliebt zu werden, sich gewollt, sicher und geborgen zu fühlen. Es ist ein bekannter Zustand, doch vom Leben oft weit entfernt. Wir fühlten ihn vielleicht, als wir als Babys umsorgt wurden und frei vom eigenen Zutun alles erhielten, was wir benötigten. Dieser Zustand ist uns jedoch noch tiefer vertraut und geht über die Zeit als Babys hinaus. Die bedingungslose Liebe ist im Inneren eines jeden, es ist unser Kern. Wenn wir unser aller Dasein verstehen als ein Dasein auf mehreren Ebenen, die sich immer weiter verdichten, ist sie in den höheren Ebenen zu finden. Bedingungslose Liebe ist letztlich die Essenz. In Menschen ist oft nicht mehr als eine Sehnsucht danach zu erkennen, da viele Schichten an Wunden, Überzeugungen etc. darüber liegen und sich in Verzweiflung, Süchte, Erwartung und Aufopferung nach Liebe zeigen.
Doch was bedeutet das nun für eine Partnerschaft?
Bedingungslos lieben hieße, Deinen Partner zu lieben, mit allen Ecken und Kanten, ohne Urteil oder Bewertung. Zoomen wir uns in diese Ecken mal hinein, so bedeutet das auch, dass Du Deinen Partner liebst, wenn er gänzliche gegenteilige Ansichten über manche Lebensbereiche hat und lebt. Vielleicht bist Du Vegetarier und Dein Partner liebt Fleisch. Vielleicht bist Du rücksichtsvoll im Umgang mit Menschen und Dein Partner ruft gern lauthals im Restaurant den Koch herbei, um ihn zur Schnecke zu machen. Würdest Du Deinem Partner nun etwas verbieten, damit ihr in einer Partnerschaft sein könnt, wie z. B. Fleischkonsum, würdest Du Bedingungen stellen. Schauen wir noch tiefer in diese Ecken. Vielleicht tendiert Dein Partner dazu, Dich zu betrügen oder zu belügen, Dich zu demütigen oder vielleicht seine Wut körperlich an Dir auszuleben. Für manche Menschen, die meinen, bedingungslos zu lieben, sei das Maß der Beziehung, würde es bedeuten, den Partner zu lieben, unabhängig der eigenen Gefühle, des eigenen Wohlbefindens oder eben der eigenen Schmerzen, die sie erfahren. Es gibt Menschen, die in diesem vermeintlich edlen Unterfangen leben, selbstlos den anderen in der Partnerschaft weiter lieben und sich aufopfern.
Fordert die bedingungslose Liebe also zur Selbstaufgabe auf?
Nein, ganz sicher nicht. Denn was hierbei vergessen wird, ist die bedingungslose Liebe zu sich selbst. Dieses Fehlen hinterlässt Leere und Mangel, den Wunsch nach Liebe, nach „heilen“ Beziehungen. Es ist oftmals nicht mehr nur der Wunsch, es ist eine Suche. Ja, eine Sucht nach Liebe. Das Fehlen von Selbstliebe öffnet diese Menschen für ihre Bedürftigkeit, die einer „Opferrolle“ gleich ist. Sie suchen im Außen und geben viel, um sich geliebt zu fühlen. Vielleicht kennst Du Menschen, die Gewalt erfahren haben und diese Taten schmälern und den Täter sogar verteidigen. Sie erkennen nicht, dass sie sich selbst verlassen haben und abhängig von der Liebe im Außen sind. Stattdessen halten sie sich so manches Mal an ihrem guten Herzen mit seinen edlen Absichten fest, geben das nach Außen und vergessen dieses gute Herz sich selbst zu schenken.
Vielleicht kennst Du auch Menschen, die verzweifelt sind, da ihr Partner, die Liebe, die sie ihm geben, permanent anzweifelt oder ihn mit Eifersucht überhäuft. Sie sind müde und ebenso hilflos und in Abhängigkeit. Vielleicht ist manchmal ein „Nein“ die liebevollste Antwort, die es dann zu sagen gibt und sich aus den Abhängigkeiten zu lösen? Wieviel Kraft es kostet eine Menschen zu füttern, damit dessen Bedürfnisse gestillt sind, kann genauso auszehrend sein, wie die Suche und Aufopferung nach der Liebe. Zwei Seiten einer Medaille.
Die Erkenntnis, dass die Liebe bedingungslos für einen Menschen empfunden werden kann, es jedoch nicht bedeutet, dass eine gelebte Beziehung mit diesem Menschen möglich ist, öffnet neue Arten des Denkens und Handelns. Das heißt, der Mensch darf den anderen lieben, wie auch immer er sein mag und sich selbst! Und die Selbstliebe läßt ihn erleben, wie es ist, den anderen frei zu lassen in seinem Sein, ihn frei zu lieben, ohne mit ihm sein zu müssen, ohne in Abhängigkeiten leben zu müssen.
Was wäre, würden sich die Menschen selbst lieben?
Treten Menschen in Verbindung, also gehen in eine Beziehung, dann bringt jeder von beiden seine Bedürfnisse und „seine Welt“ in diese Beziehung ein. Sich die eignen Bedürfnisse und Wünsche anzusehen und dazu zustehen ist fundamental für eine Beziehung. Beziehung beginnt bereits im Ausbau der eigenen Liebe zu sich selbst und dem Erkennen der eigenen Wünsche, bevor eine Partnerschaft beginnt. Hier gehört auch die Eigenverantwortung dazu. Diese war im Babyalter natürlich nicht vorhanden. Mit dem Heranwachsen und der Eigenständigkeit geht die Eigenverantwortung jedoch Hand in Hand. Die Verantwortungsübernahme für das Stillen der eigenen Bedürfnisse hebt den Menschen aus dem Mangel in die Fülle. Das bedeutet, liebe Dich selbst. Des Menschen Geburtsrecht ist Liebe und diese beginnt in jedem selbst. Denn jeder Mensch hat eine Beziehung zu sich selbst, mit sich selbst.
Durch Klarheit der eigenen Bedürfnisse ist der Mensch erkennbar, greifbar, berührbar. Die potenziell neuen Partner können sich damit tiefer kennen und verstehen lernen. Finden sich zwei Menschen, die in Selbstliebe und Fülle leben, kann wahre Bereicherung durch ihr Miteinander entstehen. Hier gehören auch Grenzen dazu. Die Grenzen eines jeden Partners entstehen auf natürliche Weise durch das vorherige Erkennen der eigenen Bedürfnisse und Lebensvorstellungen. Dann erfährt man, was den Partner unterstützt, was ihm wichtig ist, was ihn verletzt, vor welchen Herausforderungen er steht, welche Träume er hat. Mit dem Wissen um die Grenzen des anderen, gepaart mit Achtung, Respekt, Verständnis und Wohlwollen, kann ein Miteinander gelingen, in dem beide Partner gemeinsame Freude, Wachstum und Liebe erleben. Also bitte Wertschätzung, Respekt, Ehrlichkeit und Verantwortungsübernahme für die Fülle an Liebe sich selbst gegenüber statt destruktive Bedingungen aus Mangel und Angst, die sich z. B. in Kontrolle, Zwang, Frust oder Erwartungen zeigen können.
Bedingungslose Liebe ist meist noch ein Ideal. Das ist jedoch nichts Negatives. Wir streben danach, wir entwickeln uns gerade deshalb weiter und wir können sie in uns ausbauen. Jedoch bedeutet bedingungslose Liebe nicht, bedingungslos mit einem anderen Menschen zuleben. Viel mehr sind gesunde Grenzen, Ehrlichkeit zu den eigenen Wünschen, Respekt und Achtung für sich selbst und den Partner fundamental für das Gelingen einer Beziehung. Die Grundbedürfnisse eines jeden Menschen wie Wertschätzung, Respekt, Zuwendung, Verständnis und Sicherheit dürfen in manchen Partnerschaften erst einmal zu Bedingungen gemacht werden. Sie sind das Fundament der Beziehung. Und natürlich die Liebe. Sie kann durch diese Bedürfnisse gelebt werden und blühen.
Auch wenn diese Liebe nicht bedingungslos ist, ist sie wertvoll und ein wahres Geschenk an die Partner und deren Entwicklung! Diese Liebe ist die weltliche Form. Denn sogar die Beziehungen zwischen Seelenpartnern sind letztlich weltliche Beziehungen hier auf Erden. Vielleicht darf endlich die Liebe in Beziehungen von der romantischen oder hohen Vorstellung der bedingungslosen Liebe befreit werden, Anerkennung für ihre Seinsform erhalten und als das Lebbare geschätzt werden – nämlich als die gelebte Liebe.
Und das wichtigste und simpelste Maß der Beziehung ist nach wie vor: Hauptsache glücklich, und zwar miteinander und gleichermaßen!
Was meine Gesprächspartnerin betrifft, dank derer dieser Artikel entstand, so steckte hinter ihrem Wunsch einen Partner bedingungslose Liebe geben zu können Verzweiflung und Einsamkeit.
Und nach bedingungsloser Liebe zu streben, bringt Entwicklung in die Partner und ihre Beziehung. Bedingungslose Liebe zu geben, um nicht allein sein zu müssen, ist ein Zwang geboren aus Mangel. Bei vielen von uns ist diese Suche vorhanden. Nutzen wir doch also das, was sie uns erkennen lässt. Liebe Dich selbst und lerne Selbstliebe!
Um die bedingungslose Liebe noch weiter zu ergründen und in Dir reifen zu lassen, klicke gern hier für den nächsten Beitrag.